Fast 9.500 Einwohner hat die Insel Sao Jorge, die mit ihren 54 Kilometern Länge und einer maximalen Breite von nur knapp 7 Kilometern schlauchförmig inmitten des Atlantiks liegt. Zusammen mit den Nachbarinseln Pico und Faial gehört sie zu einem Inseldreieck in der Zentralgruppe der Azoren.
Mit der Besiedlung durch portugiesische und flämische Einwanderer im 15. Jahrhundert wurden erste Städte auf der Insel gegründet, die jedoch aufgrund des Fehlens eines sicheren Hafens nie größere wirtschaftliche Bedeutung erlangen konnten. Die neuen Bewohner bauten Weizen an und züchteten Vieh, das auf den großen Weiden genügend Nahrung fand.
Geschichte
Die Geschichte von Sao Jorge unterscheidet sich kaum von den Ereignissen der anderen Azoreninseln. Seeräuber, Besatzer, Erdbeben und Vulkanausbrüche machten das Leben nicht immer leicht auf den Inseln zwischen den Kontinenten.
Erst mit dem Aufblühen der Fischerei, dem Thunfischfang und der Jagd auf Wale ab dem Ende des 19. Jahrhunderts änderte sich das Leben langsam, das lange Zeit von den kargen Erlösen aus dem Weizenanbau und der Käseherstellung bestritten werden musste.
In jüngster Zeit wurde jedoch auch der Tourismus zu einer bedeutenden Einnahmequelle, die den Insulanern ein Auskommen abseits der Fischerei ermöglicht.
Fajas
Fajas, so werden die zahlreichen Landzungen genannt, die sich flach und lang ins Meer hinausschieben und so typisch für Sao Jorge sind. Die durch Lavaströme entstandenen Gebiete waren wegen ihres fruchtbaren Bodens und ihrer geschützten Lagen schon bei den ersten Siedlern sehr beliebt. Alles was hier angebaut wurde, gedieh prächtig und half so, das karge Leben auf der Insel etwas leichter zu ertragen. Heute sind die Fajas beliebte Ausflugsziele, deren natürliche Schönheit die Besucher immer wieder aufs Neue begeistert, obwohl sie zum Teil nur noch saisonal bewohnt werden. Die Abgeschiedenheit macht sie so attraktiv für kürzere Besuche und bringt gleichzeitig so viele Schwierigkeiten, wenn es um einen dauerhaften Aufenthalt auf den schwer zugänglichen Fajas geht.
Von dem Bergrücken in Zentrum der Inseln, der mit dem 1053 Meter hohen Pico da Esperanca seine größte Erhebung erreicht, fällt die Landschaft hinab zum Meer. Imposante Steilküsten, die man auf spektakulären Wanderwegen erkunden kann, bieten an vielen Punkten faszinierende Ausblicke auf Land und Meer. Die üppige Natur begeistert durch eine Vielzahl an endemischen Pflanzen, die auf dem fruchtbaren Lavaboden vorzügliche Lebensbedingungen vorfinden. Rund um den Vulkankrater Bocas do Fogo haben Menschen und Natur eine einzigartige Landschaft geschaffen, die vielen Tieren einen idealen Lebensraum bietet. Rotmilane und Bussarde fühlen sich zwischen Hortensienhecken und japanischen Sicheltannen ebenso wohl, wie die Wildkaninchen auf den natürlichen und künstlich angelegten Weideflächen. Der Abstieg vom Dach der Insel, der Cordilhera Central de Sao Jorge, über die abenteuerliche Serpentinenstraße, vorbei an unzähligen kleinen Vulkankegeln mit Seen und Sümpfen, bietet viele Aussichtspunkte auf ein faszinierendes Panorama, das die Kraft der Natur hier geschaffen hat. Über die wunderbare Landschaft und das Meer hinweg blickt man bis zu den Nachbarinseln Faial, Pico, Graciosa und Terceira, deren Umrisse man in der Ferne erkennen kann. Die beeindruckende Landschaft ist prädestiniert für Wanderer, Mountainbiker und Naturliebhaber. Auch Bergsteiger können von Urzelina aus in die Bergwelt aufbrechen und unvergessliche neue Eindrücke gewinnen. Aber nicht nur hoch hinaus aufsteigen, sondern auch tief hinein absteigen in das vulkanische Innenleben der Insel ist möglich. Mit einer Spezialausstattung und einem Führer kann auch der ungeübte Forscher in die 120 Meter tiefe Algar das Bocas do Fogo absteigen oder in die noch 20 Meter tiefere Algar do Montoso eintauchen und das Innere dieser faszinierenden Höhlen erkunden.
Surfer, Segler und Kanuten
Auf einer Insel wird natürlich auf den Wassersport ein besonderes Augenmerk gelegt. So auch auf Sao Jorge. An der Nordseite der Insel sind die Hotspots der Bodyboarder und Surfer zu finden. Auf der Faja de Santo Cristo trifft sich die europäische Surferszene, um in den Fluten des Atlantiks die ideale Welle zu erwischen. Segler und Kanuten finden ebenso wie Taucher und Angler ideale Voraussetzungen, um ihren Passionen nachzugehen.
Geschichte auf Schritt und Tritt
Weniger sportliche Mitmenschen können sich an der Architektur der Insel erfreuen. Schwarze Felsen umranden den Kirchturm von Urzelina, der einsam und allein in einer Landschaft steht, die von heftigen Eruptionen gezeichnet ist, denn der Rest der Kirche wurde 1808 bei einem Vulkanausbruch verschüttet. Weitere interessante Bauwerke finden sich nahe des Hafens von Calheta, der an sich schon äußerst sehenswert ist. Gut erhaltene Häuserzeilen und Kirchen aus vergangenen Jahrhunderten lassen den Besucher in die Geschichte der Insel eintauchen. Dieses besondere Gefühl entsteht auch in Vela, wenn man durch die Portao do Mar auf den mit historischen Gebäuden reich ausgestatteten Markplatz der Stadt und damit in eine andere Welt eintritt. Eines der bedeutendsten Bauwerke der Azoren ist die Igreja de Santa Barbara in Manadas. Die Barockkirche aus dem 18. Jahrhundert mit ihrem blattgoldverzierten Altar, typischen Kachelmosaiken und Gemälden, hat es in die nationale Liste der schützenswerten Denkmäler geschafft. Einblicke in das tägliche Leben der Bevölkerung in alten Zeiten gewährt das Museum von Sao Jorge in Calheta. Alte Möbel, landwirtschaftliche Geräte und Fotografien mit Impressionen aus den letzten beiden Jahrhunderten laden zu einer kleinen Zeitreise ein.
Kultur und Käse
Beim Feiern kommen sich Einheimische und Fremde näher. Das Patronatsfest am 22. April, wenn der Schutzheilige Sao Jorge gefeiert wird, ist dafür eine gute Gelegenheit. Bei Konzerten, Prozessionen, Ausstellungen und anderen Events kann man die Feierkultur der Menschen von Vela studieren und die Insulaner näher kennenlernen.
Die Semana Cultural das Velas im Juli ist der kulturelle Höhepunkt eines jeden Jahres auf Sao Jorge. Das umfangreiche Festprogramm verzeichnet neben Buchmessen, Regatten und Konzerten vielfältige andere Aktivitäten, bei denen kulinarische Aspekte nicht fehlen dürfen. Der Käse von Sao Jorge ist weithin berühmt und wird wegen seines würzigen Geschmacks gerne als das beste und wichtigste Produkt der azorischen Landwirtschaft gefeiert. Nur auf traditionelle Art und Weise hergestellte Käse erhalten das begehrte Zertifikat der örtlichen Landwirtschaftskooperative. Die Qualität der Produkte wird streng geprüft, damit der hohe, von den ersten holländischen Siedlern eingeführte Standard gehalten werden kann. Neben dem berühmten Käse sind die Herzmuscheln, die nur an wenigen Stellen des Archipels zu finden sind, eine ganz besondere Spezialität, die einen Besuch auf Sao Jorge auch in kulinarischer Sicht zu einem extraordinären Erlebnis macht.