Sie ist nicht nur die nördlichste, sie ist mit einer Fläche von gerade einmal 17 Quadratkilometern auch die kleinste Insel der Azoren. Und obwohl sie 1450 zeitgleich mit Flores entdeckt wurde, tat man sich mit ihrer Besiedlung schwer. Corvo war wegen ihrer isolierten Lage nicht attraktiv genug, so dass sich schließlich ab dem 16. Jahrhundert nur vereinzelt Bauern und Hirten auf ihr niederließen. Rund 200 Jahre später entdeckten die Freibeuter sie für sich und nutzen sie als Unterschlupf, erneuerten ihren Proviant und ließen ihre Schiffe reparieren. Als Gegenleistung dafür wurde den Insulanern Schutz gewährt und sie erhielten auch das eine oder andere Stück aus dem erbeuteten Gut.
Reichtum jedenfalls kannte man damit auf Corvo nicht erlangen. Auch nicht auf den Walfängerbooten, auf denen vorwiegend die jungen Leute anheuerten.
Die Freibeuter verschwanden wieder genauso wie auch die Walfänger, geblieben ist das, was die Insel ausmacht – ihre Ruhe und Gemütlichkeit. Jeder kennt jeden auf Corvo, einer weiß alles vom anderen und die Türen muss man nicht voreinander verschließen. Die Menschen sind Nachbarn, sie leben nicht gegen- sondern miteinander. Ihren Lebensunterhalt verdienen sich die Insulaner mit Ackerbau und Viehzucht, ein paar arbeiten in der Verwaltung oder im Dienstleistungsbereich. Industrie gibt es auf Corvo nicht, Elektrizität und Telefon fanden erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren Weg auf dieses kleine Eiland.
Die einzige Stadt Corvos
500 Einwohner und ein paar – das ist Vila Nova do Corvo, die einzige Ortschaft und damit auch Hauptstadt der Insel. Eigentlich ist sie nicht mehr als ein kleines Dorf mit Stadtrecht, das einzige seiner Art in Portugal. Und doch besteht der Ort aus zwei Teilen, in dem sich Zeitgeist und Entwicklung wieder finden lassen. Auf der einen Seite die „Altstadt“ mit ihren auf traditionelle Weise errichteten Häusern aus schwarzem Basalt und den kleinen Gassen, in denen man sich schnell auch einmal verirren kann, mit den Hinterhöfen und der eher ländlichen Geräuschkulisse – auf der anderen Seite der moderne Teil mit vorwiegend öffentlichen Gebäuden und einer Disco. Ein Kreisverkehr markiert die Trennung zwischen beiden Teilen.
Die mitten im Ort stehende Kirche Igreja de Nossa Senhora dos Milagres wurde zwischen 1789 und 1795 mit Unterstützung einiger Emigranten aus den USA errichtet. Sie ist schlicht gehalten und beinhaltet eine flämische Marienstatue. Der Aussichtspunkt Mirandouro de Sito do Portao liegt oberhalb von Vila Nova und bietet einen imposanten Blick über die Hafenbucht und den Ort.
Der kleine Hafen von Vila Nova wird von den schnellen Fährbooten angelaufen, die die Verbindung der Insel zur Nachbarinsel Flores herstellen. Die Überfahrt dauert etwa eine Stunde, ist allerdings oft auch vom Wetter abhängig.
Seit 1993 hat die Insel auch einen kleinen Flughafen, der allerdings nur von der Fluggesellschaft SATA innerhalb des Archipels angeflogen wird. Es gibt hier nur eine kurze Landebahn, so dass nur kleine Flugzeuge hier landen dürfen. Daher sind die Flüge in den Sommermonaten recht schnell ausgebucht.
Mächtiges Vulkangestein
Die Caldeira auf Corvo beherrscht das übrige Landschaftsbild. Die Insel besteht im Grunde aus nur einem einzigen Vulkanmassiv. Ihr Alter schätzt man auf 1,5 bis 2 Millionen Jahre. Einen Ausbruch braucht jedoch niemand zu befürchten. Der letzte fand vor etwa 100.000 Jahren statt, weshalb der Vulkan als inaktiv gilt. Der Krater, in dem sich Sumpfland und einige Seen befinden, erreicht eine Höhe von 718 Metern. Von Vila Nova führt eine Straße hinauf auf den Berg. Sie ist nicht zu verfehlen, da es die einzige ist. Wer den knapp sieben Kilometer langen Weg nicht zu Fuß auf sich nehmen möchte, der hat die Möglichkeit, sich ein Taxi zu mieten. Mietwagen gibt es auf der Insel keine und man braucht sie auch nicht. Überhaupt gibt es auf der Insel außer einigen Mofas und Autos keinen nennenswerten Straßenverkehr. Daher gibt es auch keine Ampeln, keine Verkehrsschilder, keinen Stau, keine Auspuffgase. Für jemanden, der aus einer hektischen Großstadt kommt, sich ein sehr ungewöhnliches Erlebnis. Man mag gar nicht glauben, dass es in Europa noch solche Gegenden gibt.
Auch hinsichtlich der Einkaufsmöglichkeiten sieht es auf Corvo eher dünn aus. Vieles bauen die Einheimischen selbst an, ansonsten existieren einige kleine Tante-Emma-Läden, die ganz und gar auf Reklame oder Hinweisschilder verzichten. Größere Einkäufe wie beispielsweise von Elektrogeräte oder Möbeln erledigt man auf der Nachbarinsel.
Leben der Insulaner
Die Menschen auf Corvo halten zusammen und sind Fremden gegenüber sehr freundlich und aufgeschlossen. Jedes Flugzeug und jede Fähre werden begrüßt, denn Neuankömmlinge bringen auch Neuigkeiten und vor allem etwas Abwechslung in den doch recht einfachen Alltag. Hotels wird man auf Corvo vergeblich suchen, es gibt einige Pensionen und Ferienwohnungen. Allerdings gehört ein wenig Glück dazu, sie auch zu finden. Trotzdem wird jeder auf Corvo ein Dach über dem Kopf finden, denn die Menschen leben hier wie in einer großen Familie, an der sie auch die Touristen teilhaben lassen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Insulaner färbt auch sehr schnell auf ihre Gäste ab.
Auch hinsichtlich der Gastronomie hat man kaum eine Auswahl. Trotzdem ist das Essen auf Corvo gut und preisgünstig. In Privatunterkünften wird die Verpflegung oft vom Gastgeber mit übernommen. Probieren sollte man unbedingt einmal den hausgemachten Inselkäse oder den Eintopf mit Meeresfrüchten.
Corvo ist keine typische Urlaubsinsel, ein Tagesausflug von Flores aus jedoch lohnt auf alle Fälle. Wo sonst findet man noch ein so unberührtes Stück Land in Europa? Seit 2009 wurde die gesamte Insel einschließlich der sie umgebenden Meereszone von der UNESCO zum Biosphärenreservat ernannt. Hier nisten einige Vogelarten, die seit einigen Jahren immer wieder Vogelbeobachter anziehen.
Die Küste der Insel ist steil und weist kaum Buchten auf. Bis heute sind noch nicht alle Untiefen und Klippen genau verzeichnet und bei allzu rauer See kommt man der Küste besser nicht allzu nah.